Der Drosera-erythrorhiza-Komplex

Der Drosera-erythrorhiza-Komplex besteht aus vier Arten: Drosera erythrorhiza, Drosera squamosa, Drosera magna und Drosera collina. Die Sonnentau-Arten innerhalb des Drosera-erythrorhiza-Komplexes gehören zu den schönsten rosettigen Zwiebeldrosera-Arten, die man in Südwestaustralien finden kann. Alle sind in Südwestaustralien endemisch. 

Drosera squamosa im Laterit
Mehrere Rosetten von Drosera squamosa im Laterit


Alle Zwiebeldrosera-Arten (engl. tuberous Drosera) sind reine Winterwachser, deren Austrieb im australischen Herbst — im März und April — mit den ersten Regenfällen beginnt. Während des Winters wachsen die Drosera zu voller Größe heran, um im späten australischen Frühling, zwischen Oktober und Dezember, komplett wieder oberirdisch abzusterben und nur als im Boden befindliche kleine oder größere Speicherknolle zu übersommern. Diese Prinzip kennen wir auch in Europa von den meisten europäischen Erdorchideen-Arten wie Ophrys (Ragwurz) oder Orchis (Knabenkraut).

Während ihrer Wachstumsphase im Winter legen größere Zwiedeldrosera-Pflanzen auch neue seitliche Rhizome an, an deren Ende dann Tochterknollen entstehen. Dies ist eine sehr effektive Art der vegetativen Vermehrung dieser Pflanzen.

Alle Arten des Drosera-erythrorhiza-Komplexes sind Vorblüher. Mit Austrieb der Pflanzen im südwestaustralischen April werden sofort die Blütenstängel nach oben geschoben und noch vor dem Entwickeln der Blätter schon die Blüten produziert. Alle Drosera-erythrorhiza-Arten blühen schon im April in Australien.

Drosera erythrorhiza

Der namensgebende Sonnentau für den Drosera-erythrorhiza-Komplex, Drosera erythrorhiza, wird im Englischen auch „red ink sundew“ genannt, zu deutsch: der „Rote Tinte-Sonnentau“. In den frühen Jahren des 19ten Jahrhunderts erkannten die australischen Einwanderer, dass die bis zu 2-3 cm durchmessenden rot-orangefarbenen Knollen von D. erythrorhiza beim Anfassen eine rote Farbe auf den Händen hinterlassen.




Wer schon einmal die Knollen seiner kultivierten Drosera erythrorhiza im Juni/Juli zwecks Kontrolle aus den Töpfen geholt hat, kennt sicher diesen Effekt: Die Knollen färben auf die Hände ab und die rote Farbe lässt sich nur schwer wieder abzuwaschen. So ging man damals dazu über, die Knollen von Drosera erythrorhiza zu zerstampfen und eine rote Tinte daraus zu produzieren, die häufig zum Schreiben von Briefen und ähnlichem benutzt wurde. So hat zum Beispiel in alten Tagebüchern oder auf alten Briefen aus Australien die Schrift immer noch einen leicht bräunlichen Rotton.

Drosera erythrorhiza ist der kleinste Sonnentau des Drosera-erythrorhiza-Komplexes. Seine Rosetten bestehen in der Regel aus 3-5 Blättern (meist nur 3-4) und erreichen einen Durchmesser von nur 6-8 cm. Das einzelne Blatt ist eher kreisrund und selten leicht oval. 

Die Verbreitung von Drosera erythrorhiza umfasst die Küstenregion und das Hinterland bis maximal 90 km nördlich von Perth. Im Süden erstreckt sich die Verbreitung ebenfalls in der Küstenregion und dem Hinterland bis etwa 180 km südlich von Perth. Ein zweites Verbreitungsgebiet liegt in der Küstenregion und dem Hinterland 150 km östlich und westlich von Albany.

In der Natur findet man Drosera erythrorhiza in den unterschiedlichsten Habitaten. In reinem Silikatsand, in Lateritböden aber auch in leicht humosen Böden in lichten Wäldern kann man diesen Zwiedeldrosera finden. Auch die Form und Farben der Blattrosetten ist im australischen Frühling sehr unterschiedlich. An sehr schattigen Standorten finden sich nur rein grüne Blattrosetten, die sich vor dem Absterben nicht mehr umfärben. An sonnenexponierten Stellen sind die Blattrosetten in allen Farben von orange über rot bis dunkelrot zu finden.

Drosera squamosa
Drosera squamosa ist unseres Erachtens der Schönste unter den Drosera-erythrorhiza-Arten. Seine frühere Bezeichnung war Drosera erythrorhiza ssp. squamosa und noch früher Drosera erythrorhiza „Banded Colours“, was schon auf seine Besonderheit hinweist: Die Blätter seiner großen Bodenrosette sind am Rand mit einem mehr oder weniger vorhandenen, umlaufenden roten Band versehen. Dies gibt diesen Drosera-Pflanzen manchmal das Aussehen eines am Boden liegenden Seesterns.


Die Blätter der Rosette sind mehr oder weniger oval bis länglich geformt und über und über mit kleinen, mit Klebetau bestückten Tentakelhäarchen versehen. Nur die Mittelrippe in der Mitte des Blattes bleibt frei. Die manchmal auch fast vollständig roten Blattrosetten bestehen meist aus 6 (-8) Rosettenblättern und können einen Durchmesser von 6-10 cm erreichen. An einigen von uns besuchten Standorten konnten wir auch Exemplare mit bis zu 12 Rosettenblättern und einem Durchmesser bis zu 15 cm finden.

Das Verbreitungsgebiet von Drosera squamosa umfasst die Gebiete südlich von Perth in lichten Eykalyptuswäldern. Dort wächst D. squamosa auf Lateritböden. Ein zweites Gebiet umfasst die Küstenregion weit östlich von Albany, dort wächst die Art in fast reinem Silikatsand.

Auch auf Drosera squamosa konnten wir die Symbiosewanzen aus der Gattung Setocoris beobachten und fotografieren. Die Wanzen der Art Setocoris droserae sind mit ihrer gesamten Rücken- und Körperzeichnung extrem angepasst und gut getarnt. Sie sind nur zu sehen, wenn sie sich bewegen. Die Tiere sind sehr scheu und flüchten schnell auf die Blattunterseite, wenn ein Schatten auf die Pflanze fällt. Das von ihnen bewohnte Blatt bzw. die Rosette scheinen sie gegen Konkurrenz ihrer eigenen Art zu verteidigen. Wie auch bei Byblis, auf der die Art Setocoris bybliphilus lebt, können sich die Wanzen auf den klebrigen Blättern der Drosera bewegen, ohne festzukleben. Sie ernähren sich von den Insekten, die der Drosera fängt. Die Ausscheidungen der Wanzen dienen als eine direkte Blattdüngung für die Pflanze, die nicht mehr extra verdaut werden muss.


Die Setocoris auf Drosera squamosa sind von ihrer Grundfarbe entweder grünlich oder rötlich gefärbt. Dies kann auf die im Oktober entstehende stärkere Blattfärbung der Rosettenblätter des Drosera zurückzuführen sein.

Drosera magna


Drosera magna 
ist die nördlichste Art des Drosera-erythrorhiza-Komplexes. Seine Blattrosetten bestehen in der Regel aus 4-6 (meist nur 4-5) Blättern. Die Form der Blätter ist eher rundlich und eher breiter als lang. Seine am Boden liegende Blattrosetten erreicht einen Durchmesser von 10-12 cm, manchmal auch mehr. Das Verbreitungsgebiet sind die offenen Heidelandschaften ab ca. 60 km nördlich von Perth bis nah Geraldton. D. magna wächst fast ausschließlich in reinem Silikatsand, andere Standorte sind eher selten. Im australischen Frühling, d.h. im September und Oktober, kurz vor dem sommerlichen Einziehen der Pflanzen, sind die Blattrosetten wunderschön rot ausgefärbt und bilden zum fast reinen Weiß des Substrats einen tollen Kontrast. Stellenweise bildet Drosera magna sehr große Populationen von mehreren Quadratmetern aus.



Auch auf Drosera magna lassen sich die Symbiosewanzen Setocoris droserae finden.



Drosera collina

Drosera collina ist der größte unter den Arten des Drosera-erythrorhiza-Komplexes. Seine Blattrosetten erreichen einen Durchmesser von 10-12 cm, manchmal sogar über 15 cm. Die Anzahl der Rosettenblätter beträgt in der Regel 10-12, wir haben aber auch schon Exemplare mit mehr Blättern gefunden. Jedes Blatt ist im Bereich um den Mittelnerv großflächig nicht mit Tentakelhaaren versehen. Auch bei Drosera squamosa ist dies ähnlich.


Die Verbreitung von Drosera collina liegt in einem 50 km breiten Streifen im Hinterland jeweils bis 150 km südlich und nördlich von Perth. Die Zuordnung von Drosera collina und Drosera squamosa ist bei nicht blühenden Pflanzen im Feld nicht immer eindeutig, da auch Drosera collina speziell im Frühjahr auch eine leichte farbige Bänderung um die Ränder seiner Blätter ausbilden kann. Auch kommen beide Arten zusammen an den selben Standorten vor. 


Das bevorzugte Substrat ist in vielen Fällen Lateritboden in lichten Eukalyptuswäldern. Wir selbst haben Drosera-Pflanzen mit 12 Rosettenblättern und mehr an der Südküste in der Nähe des Fitzgerald River Nationalparks gefunden. Hier war das Substrat reiner Silikatsand. Laut Verbreitung sollten hier nur Drosera squamosa vorkommen, wir halten die Pflanzen aber eher für Drosera collina.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert