Der Cradle-Mountain-Lake-St.-Clair-Nationalpark ist mit 1.262 Quadratkilometern einer der großen unter den tasmanischen Nationalparks. Er wurde zum Schutz der alpinen Flora und Fauna Tasmaniens eingerichtet und umfasst auch den bekannten Cradle Mountain mit 1.545 m Höhe. Auch der mit 1.617 Metern höchste Berg Tasmaniens Mount Ossa gehört zu dieser Bergkette. Und von hier startet auch der bekannte Overland Track, ein 65 km langer, sehr beliebter alpiner Wanderweg, den man in fünf bis sieben Tagen bis zum Lake St. Clair, mit 200 Metern der tiefste See Australiens, durchwandern kann.
Der Nationalpark ist Teil der „Tasmanischen Wildnis“ und als solches UNESCO-Welterbe. Er schützt eine artenreiche und zu einem überwiegenden Teil unberührte alpine Berglandschaft mit schneebedeckten Gipfeln, tiefen Schluchten und kristallklaren Flüssen und Seen. Hier gedeiht der letzte kalte bzw. kaltgemäßigte Regenwald Tasmaniens.
Der kalte Regenwald erhält hier etwa 2.500 bis 3.000 mm Niederschlag pro Jahr, der ganzjährig von den starken Westwinden und -strömungen vom südlichen Ozean herangeführt wird. Tasmanien ist eine der wenigen Landmassen, die in den „Roaring Forties“, dem Hochdruckgürtel in den 40er Breitengraden, liegt. Die feuchtigkeitsgesättigten Luftmassen werden gegen das Westgebirge Tasmaniens gedrückt und erzeugen anhaltende und ergiebige Steigungsregen. Auch im Sommer tritt in den Bergregionen oft Regen und Nebel auf und begünstigt das Wachstum von Moosen und Flechten.
Hier finden sich Bäume, die sich seinerzeit auf dem riesigen Urkontinent Gondwana entwickelten und sich seither nur noch in diesem kleinen Gebiet erhalten haben, so z. B. die Zypressenähnliche Schuppenfichte und die Tasmanische Schuppenfichte (Athrotaxis cupressoides und A. selaginoides) oder die Tasmanische Scheinbuche (Nothofagus cunninghamii).
Die Cradle Mountains sind ein echtes Highlight für Tasmanien, dementsprechend hoch sind auch die Besucherzahlen. Es gibt nur wenige Unterkünfte in und um den Cradle Mountain Lake St. Clair Nationalpark, daher hatten wir schon ein paar Tage zuvor unsere Unterkunft auf fast 1.000 m Höhe in der Cradle Mountain Lodge vorgebucht.
Die Lodge entpuppte sich als eine ideale Unterkunft mit sehr modern und gemütlich eingerichteten Blockhütten sowie Restaurant und Snackbar für Frühstück und Abendessen. Nicht weit entfernt befand sich auch das Cradle Mountain Visitor Centre, wo wir den Nationalparkpass erwerben konnten, den wir für unseren Aufenthalt benötigten.Unterwegs im Nationalpark
Die Straßen im Nationalpark sind so eng, dass man vor wenigen Jahren entschieden hat, keinen Individualverkehr mehr zulassen, sondern nur noch Busse einzusetzen. Die mit dem Nationalparkpass kostenlos zu nutzenden Shuttlebusse fahren bequem im 10-Minutentakt vom Visitor Centre zum Dove Lake auf 938 m Höhe.
Unterwegs gibt es einige Haltestellen, an denen man aus- oder wieder zusteigen kann. Zwischen den Haltestellen und auch rund um den See gibt es kilometerlange Wanderwege durch diese spektakuläre alpine Heidelandschaft. Man läuft fast überall auf leicht erhöht gebauten Bohlenwegen: erstens um die fragile Botanik zu schützen und zweitens würde man in diesem tief sumpfigen und oft überschwemmten Gelände sonst überhaupt nicht voran kommen.
Am ersten Tag fuhren wir trotz heftigen und anhaltenden Regens mit dem Shuttlebus bis zum Endpunkt am Dove Lake. Dort angekommen waren es zwei Grad Celsius und wir standen in heftigem Schneeregen. Der Wind peitschte die Niederschläge über den See; vom Cradle Mountain war nichts zu sehen. Nach kurzer Orientierung — man konnte wirklich nicht wandern —fuhren wir mit dem nächsten Bus wieder herunter. Das Wetter sollte sich den ganzen Tag mit Dauerregen der heftigsten Art halten und so waren wir gezwungen tatsächlich einmal einen Ruhetag in unserer Blockhütte einzulegen. Zum Glück war die „Hütte“ ein luxuriöses Blockhaus mit Gaskamin, großer Badewanne und einem trotz — oder gerade wegen — des Regens wunderschönen Ausblick über die Wälder, so dass wir den Tag auch Indoor geniessen konnten.
Am zweiten Tag fuhren wir trotz des immer noch anhaltenden Regens wieder hinauf zum Dove Lake. Ausgestattet mit durchsichtigen Regenponchos und Plastiküberzügen für unsere Fototaschen und Kameras trotzen wir dem Wetter. Im Tagesverlauf wurde der Regen etwas lichter und so machten wir uns auf eine längere Wanderung über die Bohlenwege den Berg hinunter. Niemand außer uns war unterwegs und wir konnten ohne die sonst üblichen Touristenmassen durch diese beeindruckende Landschaft wandern. Offene, sumpfige, teilweise grasbewachsene Heidelandschaften wechseln sich mit dichten Wäldern ab. Die Bäume hier sind aufgrund des häufigen Regens über und über mit Moosen, Farnen und Flechten bewachsen.
Nachmittags klarte das Wetter endlich auf und die Sonne kam hervor. Jetzt wurden auch die auf Tasmanien beheimateten Kängurus und Wombats wieder aktiv. Auf den Wanderungen, aber auch bis in die unmittelbare Nähe unserer Unterkunft waren häufig Wallabies zu sehen, zum Beispiel das mit dichtem Pelz ausgestattete Bennett Wallaby (Notamacropus rufogriseus) und die kleineren Rotbauchfilander (Thylogale billardierii), im Englischen Pademelons. Beide waren häufig mit ihrem Nachwuchs im Beutel unterwegs, die nun im Frühling oft neugierig heraus schauten.
Da die heimischen Nacktnasenwombats (Wombatus ursinus ssp. tasmaniensis) hier in den Cradle Mountains schon an den Menschen gewöhnt waren, konnten wir recht nah an diese für Tasmanien typischen Beuteltiere herankommen. Die Nacktnasenwombats werden 15 bis 35 kg schwer und bis über einen Meter lang. Sie laufen mit ihrem Schaukelgang gemütlich von einem Pflanzenbüschel zum nächsten und grasen sie ab. Wenn man ihnen im Weg steht, schubsen sie einen auch mal zur Seite. Angst kennen sie eher nicht, da sie auf Tasmanien eigentlich keine natürlichen Feinde haben.
Charakteristische Flora
Charakteristisch waren hier die schon von weitem zu sehenden roten Blüten der Tasmanischen Waratah, Telopea truncata, einer auf Tasmanien endemischen Proteaceae. Große, bis 8 m hohe Büsche oder Bäume sind mit dutzenden bis 8 cm durchmessenden Blütendolden besetzt. Ebenfalls schon von weitem auffällig sind die endemischen, bis 12 m hohen Pandani oder Riesengrasbäume (Richea pandanifolia) die ihren Ursprung ebenfalls auf dem Gondwana-Urkontinent haben. Diese Pflanzen erinnern an riesige Lobelien oder Bromelien.
An unserem dritten und letzten Tag in den Cradle Mountains fuhren wir nochmals zum Dove Lake hinauf und bekamen endlich auch schöne Fotos von der Aussicht über den See und den Gipfel des Cradle Mountain mit seinen wiegenartig geformten Spitzen — das Warten hatte sich gelohnt.