Die rot blühende Utricularia menziesii

Eine der besonders extravaganten, roten Blüten in Südwestaustralien gehört Utricularia menziesii, einem Wasserschlauch (engl. bladderwort). Sie zählt zu den fleischfressenden Pflanzen und wurde schon 1810 von Robert Brown in seiner Flora Australiens beschrieben. 

Utricularia menziesii ist der einzige knollenbildende Wasserschlauch in Südwestaustralien


Brown benannte diese Utricularia zu Ehren von Archibald Menzies, der an der spektakulären Reise um die Welt an Bord der HMS Discovery von 1790 bis 1795 teilgenommen hatte und dabei unter anderem an der westaustralischen Küste viele damals unbekannte Pflanzen fand und beschrieb. Im Herbst 1791 besuchte die HMS Discovery die Südwestküste Australiens und hier erfolgte wohl die erste Aufsammlung von Utricularia menziesii.

Nach Archibald Menzies sind übrigens einige der schönsten Pflanzen Australiens benannt, neben Utricularia menziesii auch die spektakuläre Banksia menziesii aus der Familie der Proteaceae. Menzies fand auch erstmalig die Westaustralische Kannenpflanze, Cephalotus follicularis.

Die Überlebensstrategie von Utricularia menziesii

Utricularia menziesii hat nicht nur eine für die Wasserschläuche ungewöhnlich große und auffallende Blüte, sie hat auch eine besondere Strategie entwickelt, mit der sie die trockenen Sommermonate in Westaustralien bestens überstehen kann. 

Mit Beginn der australischen Herbstregenfälle im März/April treiben die im Boden liegenden Knollen von Utricularia menziesii aus. Als erstes werden die kleinen, länglich rundlichen Laubblätter produziert. Die grünen Blättchen liegen auf dem Boden auf und färben sich in voller Sonne rötlich. Sie formen eine dichte, kompakte Blattrosette. Gleichzeitig werden kleine Saugfallen und Speicherknollen im Boden ausgebildet. 


Meist im Mai/Juni erscheinen die Blütenknospen in der Mitte der kompakten Blattrosetten. Zwischen Juli und September blühen dann die unvergleichlichen dunkelroten Blüten dieser einzigartigen Utricularia. Häufig sind die Blätter der Pflanzen zur Blütezeit mit einem dünnen Wasserfilm bedeckt, sie stehen also sehr nass.

An jedem der bis 5 cm hohen Blütenstängel entsteht in der Regel eine einzige Blüte. Die nur etwa 2,5 cm hohen, roten bis dunkelroten Blüten haben einen gelben Fleck auf der Unterlippe und einen extrem langen, bis 2 cm langen Nektarsporn an der Rückseite der Blüte. Hier wird der Nektar als Anlockung für die Bestäuber produziert und gelagert.

Im Laufe der Jahre bildet Utricularia menziesii große Horste aus Blattrosetten, stellenweise 30 cm im Durchmesser. Hier können viele Blütenstängel auf wenigen Quadratzentimetern gebildet werden. 


Vögel als Bestäuber

Interessant zu wissen: erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass auch Vögel zu den Bestäubers der Utricularia menziesii-Blüten gehören. Der Buntkopf-Honigfresser (engl. Western Spinebill) steckt seinen langen, gebogenen Schnabel tief in den Nektarsporn und trinkt den Nektar. Hierbei werden die Pollen an die Schnabelwurzel geklebt, womit dann die nächsten Blüten bestäubt werden. Manche Blüten, die wir vor Ort untersuchten, wiesen leichte Verletzungen an den Blüten auf.

Interessanterweise werden auch die rotblütigen Utricularia quelchii und Utricularia campbelliana auf den Tepuis (Tafelbergen) in Venezuela von Vögeln bestäubt. Die dort vorkommenden Kolibris stecken ihren langen Schnabel im Schwirrflug in die Utricularia-Blüte und trinken ebenfalls den Nektar aus den sehr langen Nektarspornen. Auch dort konnten wir Schnittverletzungen an den Blüten beobachten, die wohl durch die Vogelschnäbel verursacht werden. Wir würden daraus schließen, dass bei allen rot blühenden Utricularien auch Vögel als Bestäuber fungieren und sich die Pflanzen mit ihrer attraktiven roten Blütenfarbe und dem extrem langen Nektarsporn evolutionär an diese Bestäuber angepasst haben. Im übrigen werden auch viele andere rotblütige Pflanzen speziell mit Röhrenblüten von Vögeln bestäubt, zum Beispiel viele Fuchsia-Arten in Südamerika.

Blüten in unterschiedlichen Farbtönen

Während unserer Reisen nach Südwest-Australien hat wir viele unterschiedliche Standorte von Utricularia menziesii besucht und festgestellt, dass die Blütenfarben sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. An der Südküste östlich von Albany fanden wir eine große, blühende Population von Utricularia menziesii, deren Blüten in ihrer Grundfarbe dunkel schwarz-rot waren. Hier war auch der Kehlfleck auf der Unterlippe der Blüte rot-orange und nicht gelb. An anderen Standorten war die Grundfarbe zum Teil eher hellrot oder manchmal leicht pink. 


Die Hauptblütezeit von Utricularia menziesii in Südwest-Australien beginnt bereits im australischen Winter im Juli und August und reicht vereinzelt bis in den September/Oktober hinein.

Beginnend im Juli im Norden beim Städtchen Geraldton an der Küste des Indischen Ozeans wandert die Hauptblütezeit von Utricularia menziesii langsam nach Süden und endet an der Südküste meist im August/September. Auch die Höhenlage hat Einfluss auf den Blühzeitpunkt. Je höher der Standort, desto später die Blüte. Die letzten blühenden Pflanzen findet man auf den bis über 1000 Meter hohen Bergspitzen der Stirling Range im Landesinneren. Hier haben wir auch noch Mitte Oktober blühende Pflanzen gefunden. Natürlich hat auch der vorangegangene Jahresverlauf Einfluss auf den Blühzeitpunkt. Verspätete Herbstregenfälle und kalte Wintertemperaturen verzögern die Blüte, warme Winter und frühe Regenfälle beschleunigen sie. Wir haben bei unterschiedlichen Reisen an ein und derselben Stelle fast am gleichen Tag des Jahres einmal blühende Pflanzen vorgefunden, ein anderes Mal war alles schon ausgetrocknet.

Nach der Blüte entwickeln sich die Samen und die Pflanze stirbt nach und nach oberirdisch ab. Drei bis vier Wochen nach der Blüte findet man nur noch die Blattrosetten, deren Blätter sich dann auch schon gelblich verfärben und nach und nach absterben. Nach vier bis sechs Wochen sind oberirdisch meist nur noch die weißen, abgestorbenen Blätter zu finden. Auch im Substrat sterben die Saugfallen, Wurzelrhizome und Stiele nach und nach ab. Nur die in der Zwischenzeit wieder neu gebildeten Speicherknollen verbleiben im Boden. Die weißlichen, rundlich länglichen Speicherknollen sind 6-7 mm lang und 2-3 mm breit. Sie erinnern stark an Ameisenpuppen, die man an offenen Ameisennestern sehen kann. Diese Speicherknollen liegen meist nur zwei bis vier Zentimeter unter der im Sommer heißen und trockenen Substratoberfläche. Mit ihren Speicherknollen überlebt Utricularia den trockenen Sommer und reaktiviert sich dann mit den ersten Regenfällen wieder. Diese Art des Überlebens findet man auch bei allen Knollendrosera und Erdorchideen Australiens. Auch unsere heimischen Erdorchideen wie das Knabenkraut (Orchis) und die Ragwurz-Orchideen (Ophrys) übersommern auf diese Weise. 

Das Verbreitungsgebiet von Utricularia menziesii

Das Verbreitungsgebiet von Utricularia menziesii erstreckt sich über die gesamte Küstenregion Südwestaustraliens, angefangen in Perth bis weit jenseits von Esperance im Osten und darüber hinaus in die Nullabor Plain zur Bundesgrenze nach Südaustralien. Auch im Inland ist Utricularia menziesii zu finden und kommt nördlich von Perth bis fast zum Küstenort Geraldton vor. 

Obwohl das Verbreitungsgebiet von Utricularia menziesii riesig ist und fast den gesamten Südwesten umfasst, beschränkt sich ihr Vorkommen doch auf Südwest-Australien, d.h. sie ist hier endemisch.

Auch durch ihr riesiges Verbreitungsgebiet besiedelt Utricularia menziesii die unterschiedlichsten Standorte. Sandiger Ton in sumpfigen Senken, sandiger Torf an der Rändern von Sümpfen oder lehmige, moosbedeckte Erde an den Hängen zutage tretender Granitfelsen. Alle diese Standorte müssen aber im Sommer völlig austrocknen. Auch wir haben die Pflanzen an den verschiedensten Plätzen gefunden. Manchmal in fast schneeweißem Silikatsand unter Büschen und Bäumen in der australischen Heidelandschaft. An anderer Stelle in fast betonartig hartgebackenen Ton, wo man diese Pflanzen nicht vermutet hätte. Besonders häufig scheint sie an den Hängen der Berge und an Granitfelsen vorzukommen. Hier existiert nur eine wenige Zentimeter dicke Substratschicht, die mit einer dicken Moosschicht überzogen ist. Beim „Hochklappen“ dieser trockenen Schicht kann man überall auf der Unterseite die Speicherknollen von Utricularia menziesii sehen. Auch viele Speicherknollen der Knollendrosera, die diese Standorte besiedeln, kann man so entdecken. 

An den Granitfelsen sind Drosera bulbosa und Drosera lowriei häufige Begleitflora. Auf den Bergen der Stirling Range findet man Drosera monticola und Drosera heterophylla ssp. phillmanniana als Begleitflora. Im Cape Le Grand National Park wächst Utricularia menziesii auf dem Frenchman Peak zusammen mit dem dort endemischen und erst kürzlich beschriebenen Drosera esperensis. In den sandigen und winterfeuchten Ebenen findet man neben Utricularia menziesii auch viele andere Knollendrosera- und Zwergdrosera- Arten. Natürlich sind auch hier terrestrische Orchideen die direkte Nachbarflora.

Unser Tipp

Die saisonal letzten Exemplare blühen im September/Oktober auf den Bergspitzen der Stirling Range zum Beispiel auf dem Mount Trio. Im Gipfelbereich kommt Utricularia menziesii weit verbreitet vor. 

Fazit

Utricularia menziesii ist eine der schönsten und spektakulärsten Utricularien Südwest-Australiens. Mit ihren großen roten Blüten ist sie im Frühling ein Farbtupfer.

 

 



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