Die blau blühende Orchidee Epiblema grandiflorum oder „Das Baby in seiner Wiege“

Blau blühende Orchideen sind in Europa eine ganz besondere Rarität. Es gibt bei den einheimischen Orchideen viele rosa-, violett- oder rotblühende Orchideen. Aber blau? Diese Farbe ist hierzulande sehr selten. Im Bereich der tropischen Orchideen ist die blau blühende Vanda caerulea zu einer Berühmtheit geworden, und Orchideenzüchter schätzen sich glücklich, wenn es ihnen gelingt, diese Schönheit in ihren wohltemperierten Gewächshäusern zum Blühen zu bringen. 



In Australien sind blau blühende Orchideen keine solche Seltenheit. Es gibt die Gruppe der blau blühenden Thelymitras oder die Cyanicula-Orchideen. 

Eine der schönsten und größten blau blühenden Orchideen Australiens ist Epiblema grandiflorum. Die monotypische, in Südwest-Australien endemische Orchidee blüht sehr spät im Jahr, meist zwischen November und Januar im australischen Frühsommer bis Sommer. 

Epiblema grandiflorum trägt auch den netten englischen Namen „Babe-in-a-Cradle“, der zu deutsch „Das Baby in seiner Wiege“ bedeutet. Entstanden ist dieser Name durch die Form der Fortpflanzungsorgane im Zentrum der großen Blüte: hier formen Stempel, Pollinienpakete, die Säule und die Säulenflügel zusammen mit den Anhängseln der Lippe ein Gebilde, das beim Betrachten entfernt an ein Baby mit einer Haube auf dem Kopf erinnern soll.




Die Orchideenart kommt nur an der Küste Südwest-Australiens vor, zwischen Gingin, nördlich von Perth, und Esperance an der Südküste. Hier wächst sie nur in küstennahen, winterfeuchten oder überschwemmten torfigen Sümpfen, meist in der Nähe von Eukalyptus-Bäumen und in dicht mit Binsen und Gräsern bewachsener Vegetation. Als karnivore Begleitvegetation kann man in der Nähe häufig Utricularia-Arten finden, speziell Utricularia volubils, die ebenfalls nur unter Wasser stehend blüht. Auch die ebenfalls endemische westaustralische Kannenpflanze Cephalotus follicularis bevorzugt torfige, saisonal nasse oder auch überschwemmte Habitate.


Zu Beginn ihrer Vegetationsphase stehen so auch die Epiblema-Pflanzen im Wasser, so dass die einzelnen, nur bis 25 cm langen, glasartigen Blätter schwer zu finden sind. Und auch mit Beginn der Blüte stehen die Orchideen zum Teil immer noch im Wasser, aber mit etwas Glück (oder notfalls mit einem Paar Gummistiefeln ausgerüstet) kann man einige blühende Exemplare schon fast trockenen Fußes erreichen. 


Der Blütenstängel wird in der Regel bis 80 cm hoch und ist mit 2 bis 8 großen, bläulichen Blüten besetzt. Die einzelne Blüte hat meist einen Durchmesser von 25 bis 40 mm und gehört damit schon zu den großen Blüten terrestrischer Orchideen in Australien.

Epiblema wurde 1801 erstmalig in den Sümpfen um Albany gesammelt und 1810 von Robert Brown beschrieben. Die Art ist am nächsten mit den Sonnen-Orchideen Thelymitra verwandt, braucht aber kein warmes Wetter um die Blüten zu öffnen. Und auch während der Nacht oder bei schlechtem Wetter schließen sich die Blüten nicht. Von einigen Botanikern wurde eine Variation als Epiblema grandiflorum var. cyanea abgespalten. Diese Varietät zeichnet sich durch heller blaue Blüten aus und wächst in der Region rund um Perth.

Besonders schöne und große Bestände kann man in den ausgedehnten Sümpfen des D´Entrecasteaux Nationalpark südlich von Northcliffe, zum Beispiel entlang der zur Küste führenden Windy Harbour Road finden. Hier sind auch die meisten unserer Fotos entstanden.